Gewinnertext
DER HERZEN-QUELLE
Es war einmal, in einem weit entfernten Zauberreich, wo Hexen, Zentauren, Kobolde, Elfen und Trolle noch einig untereinander lebten, da herrschte eine junge Königin über das magische Volk welcher man engelsgleiche Schönheit nachsagte. Karina die Anmutige, die Prächtige, die Strahlende waren die Namen, welche sie feiner Gewänder gleich kleideten. Helden und edle Ritter reisten aus den entferntesten Winkeln des Landes, nur um einen kurzen Blick auf ihr liebliches Antlitz zu erhaschen. Barden besangen ihre Schönheit in Liedern und Gedichten und das gemeine Volk fertigte Abbilder und Altäre, um ihrer zu huldigen.
Man sagte sogar, dass selbst der Mond dem goldenen Glanz ihrer Locken neidete und dass die Sterne beim kristallklaren Leuchten ihrer Augen zu Nichts erblassten! Rosen sanken ihre Köpfe in Scham darnieder und selbst Schneeflocken vermochten bei ihrer Berührung nicht zu schmelzen, in der schwachen Hoffnung etwas länger sich in ihrer Sonne Schimmer zu baden. Nichts und niemand konnte ihr das Wasser reichen, denn sie war wahrlich die schönste und die königlichste unter allen Frauen dieser Welt.
So oft hatte Königin Karina bereits die Worte der Preisung vernommen, dass sie ihr übergegangen waren wie der Trank ins Blut. Doch alle Dinge, auch das Lob, vermochten Gift zu sein, nichts im Leben war mit Überdruss zu genießen (1). Und so kam es, dass die Schöne von Tag zu Tag immer niederträchtiger und grausamer wurde. Mit jedem liebkosenden Wort, mit jedem schmachtenden Blick, wucherte das Gift in ihrem Innern und ließ sie stolz und kalt zurück. Hochmütig blickte sie auf die anderen nieder, jagte ihre Dienerschaft durch das Schloss und warf die Galleonen aus dem Fenster - keinem ihrer Gelüste wollte sie je Entsagung wissen, doch dabei mir anderen zu teilen wünschte sie nie!
So kam es auch, dass kein Buhler weder ihre Hand noch ihr Herz zu gewinnen vermochte. Einen jeden wies sie ab! ❝Zu hässlich, zu dick, zu dumm und seht euch den an! Seine Nase ist völlig krumm!❞
Keiner war ihr gut noch schön genug. Doch unbarmherzig verlangte das Reich nach einem Gemahl für seine wählerische Königin, um in ihren zarten Armen schon bald einen würdigen Erben erahnen zu können. Dass sie einen ebenbürtigen Gatten an ihrer Seite wissen würde, dessen war sich die Strahlende vollkommen gewiss. Doch sollte es kein Leichtes sein, ihre Gunst für sich zu gewinnen! Kein einfaches Bauerntölpelchen war sie, welches man mit schmeichelnden Worten und Gold von sich zu überzeugen vermochte. So schmiedete die Königin einen Plan und verkündete ihre Worte in alle Himmelsrichtungen:
❝Kommt und fordert meine Hand und Thron,
mit Ruhm, Glanz und einer güldenen Kron'.
Zu euren Händen will ich sie übergeben,
doch nur den Schönsten und Besten will ich lieben!
Ein Zauberer wie ihn die Welt noch nie geseh'n,
um diesen soll es mir gescheh'n.
Mit List, Tücke und Verstand,
werdet ihr an drei Aufgaben gebannt.
Eine gefährlicher als die andre sollen sie sein,
auch Erbarmen gibt es kein!
Leben oder Sterben ist die Wahl,
nur erstes wird genießen meiner Liebe Qual.
Seid ihr mutig genug es zu versuchen?
So wartet nicht und folget meinem Rufen!
Kehret ein zum nächsten Vollmond in meines Schlosses Fried,
wo ihr könnt werden eures Glückes Schmied!❞
Da kamen sie von nah und fern! Jünglinge, Greise, Ritter, Narren und Prinzen, ein jeder Zauberer wollte sein Glück bei der Holden versuchen! Sie alle versammelten sich am Hofe, wo die Königin sie in ihren teuersten und schönsten Gewändern in Empfang nahm. Nie hatte auch nur einer von ihnen etwas so Liebreizendes wie sie erblickt und sofort verfielen ihr die Herzen aller Freier, gebannt durch ihrer Stimme lieblichen Klang.
❝Lauschet meinen Worten gut und wachsam,
wer nicht aufpasst ist zu langsam!
Wie ihr wisst, sollt ihr drei Aufgaben übersteh'n,
oder bei dem Versuch daran untergeh'n.
Nur wem alle drei gelingen,
mit dem werd ich mein Leb’ verbringen!
So überzeugt mich von eurem Können,
denn einfach werde ich euch gar nichts gönnen!❞, verkündete Königin Karina und reckte ihre feine Nase empor. Nervös scharten die Rösser der Recken und die Spannung legte sich über das gesamte Schloss, während sie weitersprach.
❝In den düsteren Sumpf zwischen den Trollhügeln sollt ihr gehen,
- Versucht gar nicht erst um etwas anderes zu flehen -
wo ein Schatz ungeahnten Reichtums auf euch warten wird,
doch nur für denjenigen der sich nicht verirrt!
Bleibt auf der Hut und auf eurem Pfad,
den es sei nur ein schmaler Grat,
zwischen Versagen und glänzendem Erfolg,
sofern euch nicht eines der Monster verfolg❞, sie lachte ihr unbarmherziges Lachen, während sie die blassen Gesichter der Mannen betrachtete, die bereit waren für sie in den sicheren Tod zu ziehen.
Die Sümpfe waren des Sensenmanns Urteil für einen jeden Wanderer, doch keiner wagte den Befehl ihrer Angebeteten zu verschmähen! So sattelten sie ihre Pferde, Esel und Karren, um sich auf den langen Weg ins Ungewisse zu begeben. Wonach sie suchten? Das wusste keiner von ihnen. In Massen strömten sie über das Moor, auf der Suche nach dem Unbekannten. Die ersten Schritte wurden begangen und schon waren die Schrecken der Nacht ihnen auf den Fersen, Irrwichte, Hinkepanks, Kelpies und andere Missgestalten der Tiefen forderten ihre ersten Opfer. Schreie hallten über das Moor, Männer wurden in das modrige Nass gezogen und starben wie die Fliegen. Königin Karina stand auf einem Hügel und lächelte entsetzlich über die fernen Klagelaute, welche der Nachtwind zu ihr herbei wehte. Tölpel waren sie allesamt.
Das ferne Licht ihrer Zauberstäbe erlosch der Reihe nach, wie kleine Kerzen im Luftzug und mit der Süße niederer Genugtuung, ergötzte sich die Grausame an diesem Anblick. Schon wollte Königin Karina ihre Schatzsuche für beendet erklären, als leise Schritte sich ihrem Ohr näherten. Drei Mannen kamen auf sie zu. Ein Jüngling in einfachen Roben, jedoch aufrecht und bildschön. Ein wohlgenährter, kugelrunder Zauberer mit Gewändern aus Gold und Edelsteinen und zuletzt ein verlottertes Kerlchen, hässlich wie die Nacht und Augen, arglistig und boshaft. Alle drei knieten sie vor ihr nieder und mit gespielter Milde wandte sie ihr Wort.
❝Gelobt sei Merlin für eure heile Rückkehr,
sicher war euer Weg sehr schwer,
doch genug nun der Geduld,
ihr drei steht nun in meiner Schuld!
Wo ist der Schatz geblieben,
mit welchem ihr kommt dem nahe mich zu lieben? ❞
❝Oh hold’ste Maid von allen,
alles würde ich suchen nur, um euch zu gefallen.
Doch der einzige Schatz, den ich je in diesem Sumpfe sah,
steht mir hier und jetzt ganz nah.
Ihr seid das kostbarste, was es hier nur geben kann,
macht doch mich zu eurem Mann!❞, rief der junge Held hervor und neigte sein Haupt.
❝Viele Schätze habe ich bereits geseh'n in meinem Leben,
doch einen solchen wie euch kann es kein zweites Mal geben.
Teilt mit mir Freud, Leid und Bett,
mein Gold macht meine fehlende Schönheit gleich wieder wett!
Ihr seid der Schatz, den ich in diesem Sumpf hier suche,
in meine Arme ich euch rufe!❞, warf der wohlhabende Kaufmann mit Eifer ein und auch er neigte sein Haupt. Die Schöne genoss die Worte der Männer und kostete das altbekannte Gift aus vollen Zügen.
Der Dritte im Bunde schwieg kurz und ohne Inbrunst begann er zu sprechen.
❝Keine Liebesworte sollt ihr von mir hören,
noch werde ich euch meine Treue hier und jetzt nun schwören.
Ich wusst' vom ersten Augenblick,
von euren laschen Trick!
Ihr seid stets der einzige Schatz,
verliebt in euch selbst mit dem ersten Satz.❞
Solche Dreistigkeit hatte man sich in Königin Karinas Nähe nicht zu erlauben. Empört schnappten die Anwesenden nach Luft, doch sie gebot ihnen Einhalt. Dieser Wicht würde schon bald wissen, was er von seiner frechen Zunge hatte und so beschloss sie, sich nicht länger mit ihm aufzuhalten und stattdessen dieses Ekelpaket der zweiten Hürde zu überlassen. Sicherlich würde die nächste Aufgabe kurzen Prozess mit ihm machen.
❝Liebesmüh oder nun nicht,
getan habt ihr eure Pflicht.
Und richtig lagt ihre alle drei,
so ist die erste Aufgabe vorbei.
Doch die zweite soll nicht lange auf sich warten lassen,
los, kriegt eure Zauebrstäbe zu fassen!
Denn im nördlichen Königsturm dort lebt ein Ungeheuer,
vernichten tut es mit Gift und Feuer.
Befreit mich von dieser Last,
und zwar mit wack’rer Hast.
Doch scheitert ihr,
so war es das mit eurer ehelichen Gier!❞
Ohne zu zögern, machten sich die drei Männer auf zum Nordturm des Schlosses, wo ein Monster aus den Abgründen der Hölle auf sie warten sollte. Ein giftspuckender Drache trieb sein Unwesen seit Jahrhunderten und schon längst hatte sich Königin Karina von diesem Unding entledigen wollen. Genüsslich lehnte sie sich in ihrem Thron zurück, während sie das Brüllen des Monstrums vernahm. Schreie erklungen, Schwerterklirren und Flüchegeschleuder. Stunden um Stunden vergingen, als zwei Gestalten den Thronsaal wieder betraten. Unbeschadet war der Jünglich zurückgekehrt und ein Strahlen überkam die Königin bei seinem Anblick. Doch der zweite war ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack. Der mittellose, hässliche Knecht war zurückgekehrt, kein Haar von seinem Haupt gekrümmt.
Sogleich fiel der Recke wieder auf die Knie.
❝Mondtochter, Sonnentänzerin, schönste aller Frauen,
besiegt haben wir das Grauen,
doch der alte Handelsmann,
war letzten Endes doch arm dran.
Verschlungen hatte der Drache ihn,
wir mussten ohne ihn weiterzieh'n.
Nur euer Antlitz fein,
kann meinem Kummer Trost sein❞, seine Worte berührten die Königin und mit Wohlwollen gestattete sie ihm, sich wieder zu erheben.
❝Dumm wie ein Stück Brot war der alte Narr,
eines Hirnes völlig bar.
Also wozu noch Worte für ihn verschwenden,
wenn wir doch viel besser können unsere Zeit aufwenden.
Die dritte Aufgabe, wie lautet diese?
Ich bin mir sicher, es wird eine miese,
sehr kreativ sind sie ja nicht,
aber wenn Ihr, Königin, darauf erpicht...❞
Innerlich raste die schöne Königin bei der trotzigen Antwort des garstigen Buhlers. Sollte er doch in den Schlünden der Hölle schmoren und mit der letzten Aufgabe, wollte sie dafür sorgen, dass er in eben jenen landen würde.
❝Geduld nur meine Herren,
kein Grund bittere Tränen zu plärren.
Bringen sollt ihr mir das Herz,
eines Basilisken, vorwärts!
Finden sollt ihr ihn alleine,
im Dorf er regelmäßig erscheine,
um Schrecken und Terror zu verbreiten,
wer von euch wird ihn in den Tod geleiten?
Bekommen soll der Sieger mich als finalen Preis,
belohnt werden Schönheit, Mut, Tugend und Fleiß!❞, die Königin kniff die Augen zusammen. Ein Drache vermochte den Hässlichen nicht vernichtet zu haben, doch ein Basilisk würde sein Werk ganz sicher tun.
Die Männer zogen von dannen und immer wieder kamen Boten mit Neuigkeiten aus dem Dorfe zurück. Berichte von argen Kämpfen und Duellen wurden laut und die Schreie des Basilisken hörte man bis in den Schlosssaal hinauf. Die glänzende Königin konnte es nicht erwarten bald mit dem schönen Helden vermählt zu werden. Ihre Kinder würden vor Pracht selbst die Sonne in den Schatten stellen und überall würde man von ihr und ihrem Gemahl sprechen. Ein Traum wäre das, ganz sicher!
Doch wie war der Schrecken groß, als sie statt des schönen jungen Ritters, das hässlichen Männlein im Thronsaal erscheinen sah. Ganz verkrümmt war er, mit Blut überströmt, doch das Herz des Basilisken hielt er in seinen rauen Pranken und warf es ihr zu Füßen.
❝Da habt ihr euer schwarzes Herz, Gratulation,
auch wenn ich glaube, dass ihr erwartet habt eine andere Situation!
Wie gefällt euch euer neuer Ehemann,
und die Hochzeit ist dann wann?❞, lachte er gackernd, doch der Königin war ganz und gar nicht zu spaßen zumute. Wütend erhob sie sich und deutete mit ausgestrecktem Finger auf den Missetäter, der es wagte ihre erhabene Schönheit zu beleidigen.
❝Lügner, Betrüger, Taugenichts!
Glaubt ihr ich verfalle, dem Charme eines solchen Wichts?
Verrotten sollt ihr, fern von mir!
Verziehen sollt ihr euch in zügiger Manier!
Oder eines besseren werde ich euch belehren,
keine Hochzeit will ich mit euch begehren!❞, keifte sie entsetzt.
❝Ob begehren oder nicht,
euer Herz ihr damals verspricht.
Nun steh ich hier, ein andres hab ich genommen,
soll ich für meine Mühen nichts bekommen?❞, erwiderte der Grässliche.
❝Bekommen sollt ihr einen Tritt,
also frohen Ritt!
Meinen Thron ich niemals mit euch teilen werde,
noch die Ehe, um nichts auf der Erde!❞
❝Solche Spielchen lasse ich nicht mit mir machen,
ihr habt noch gut lachen,
doch bald schon wird es euch vergehen,
ihr werdet schon noch sehen!❞, und mit diesen Worten hob der Buckelige seinen Zauberstab und mit Zischen und Zunder jagte der Fluch auf die schöne Königin, traf sie mitten in ihr eiskaltes Herz. Mit einem langgezogenen Schrei fiel die Unbarmherzige in sich zusammen.
❝Oh wie mir geschieht,
...es mich links und rechts in alle Seiten zieht❞, weinte die Königin. Unter Ächzen und Stöhnen verwandelte sie sich. Beschuppte Flügel, einem Drachen gleich, brachen aus dem schmalen Rücken der jungen Frau, ihr wunderhübsches Gesicht verzog sich zu dem langen beschnabelten Antlitz eines Geiers und unter ihren sanften Händen brannte mit einem Mal lichterlohes Feuer.
❝Was habt ihr mit mir getan,
seid ihr denn im Wahn?❞, kreischte sie vor Entsetzen.
❝Nun meine Liebe, werden alle sehen,
wie du bist im Innern und verstehen,
dass wahrer Schönheit Reiz,
nicht geschmiedet ist in Boshaftigkeit und Geiz,
sondern im Innern einer jeden Seele,
die dir ganz offensichtlich fehle!
Alle deine Nachkommen sollen diese Bürde tragen,
schön, einsam und in Grausamkeit zu versagen!
Adieu schöne Karina, für immer,
geliebt wirst du nun nimmer.
Denn Wahrheit ist der einzige Spiegel,
der jetzt ist dein Siegel!❞
Der hässliche Zauberer ließ die Königin zurück und nie wieder sollte Karina, die Anmutige, die Prächtige, die Strahlende, genannt werden. Mit jeder Ungerechtigkeit, jedem Gram und jeder bösen Tat wurde sie abscheulicher und widerwärtiger. Das Reich zerfiel und die einst schöne Königin blieb ein Monster in ihrem Schloss. Eine Veela, ein Ungetier aus dem Alptraum wütender Irrwichte. Nur noch blasse Erinnerungen ließen ihr altes Ich wiederkehren, ehe Missgunst und Hass sie zurück in die Fänge der Harpyie trieben.
Jahrhunderttief sollte die Lehre der Königin Karina sein, daher Kind, präge sie dir gut ein:
Wenn du behalten willst dein Gesicht, du besser niemanden nennst einen hässlichen Wicht,
denn wer Schönheit hält an erster Stelle, findet diese nur in der Herzen-Quelle!
(1) Frei nach Paracelsus: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.”