*schaut zur Tür, als sich diese öffnet*
Ah, hier ist schon unser heutiger Gast. Herzlich willkommen, Serena Volmary, Hauslehrerin aus dem Hause Hufflepuff und Leitung des ehrenwerten Slug Klubs. Mit diesen köstlichen Zimtschnecken können wir hier leider nicht aufwarten, aber eine sehr bequeme Märchencouch haben wir zu bieten.
*zwinkert*
Herzlich Willkommen auf unserer Märchencouch! Nun wir sind gespannt was Sie uns heute mitgebracht haben und wollen nicht länger auf die Folter gespannt werden.
Dann rede ich doch einfach nicht lange um den heißen Brei herum und starte direkt los. Ich möchte euch heute ein Märchen aus dem Heimatland meiner Mutter vorstellen, aus Schweden. Es heißt Stiefelchen und geht so…
Es war einmal eine Prinzessin, deren liebstes Hobby das Lügen war. Sie war zwar wunderschön, aber sie konnte kaum einen Satz sagen, ohne dass eine Lüge enthalten war. Ihrem Vater, dem König, gefiel das ganz und gar nicht und er überlegte hin und her, wie er sie dazu bringen konnte, mit dem Lügen aufzuhören.
Da stellt sich die Prinzessin absolut nicht geschickt an, wenn ihre Lügen immer auffliegen. Wenn man ein Hobby ausübt, sollte man darin doch irgendwann sehr gut werden. Einer Lügnerin wird man natürlich generell keinen Glauben mehr schenken, wenn dieses Problem bekannt ist. Das hört sich schon pathologisch an.
Ein Märchen, von dem ich tatsächlich noch nicht gehört habe, wie aufregend!
Das Hobby der Prinzessin ist ja schon sehr ungewöhnlich, wo doch in königlichen Familien auf Anstand und Manieren getrimmt wird. Das erinnert mich auch ein wenig an ein anderes Märchen: Der Hirtenjunge und der Wolf, in dem es um eine Lüge ging und ihm einfach nicht mehr geglaubt wurde. Das ist übrigens ein Märchen, das wir noch nicht hatten.
Vielleicht bringt eure nächste Gesprächsperson das mit? Ich könnte ja jetzt lügen und behaupten, dass ich es eigentlich vorgehabt habe, aber das fiele euch wohl wie dem König ein, der wirklich lange hin und her überlegte, bis er die zündende Idee hatte. Gemeinsam mit der Königin begann er ebenfalls der Prinzessin Lügen zu erzählen, in der Hoffnung, dass sie irgendwann sagen würde: “Das ist nicht wahr” und damit von ihren Lügen geheilt wäre.
*lacht vergnügt los*
Also das ist wirklich eine amüsante Reaktion der Eltern und clever noch dazu. Mal sehen, ob diese Idee zum Erfolg führen wird.
*lacht mit*
Na das ist doch mal eine lustige Idee, die zum Scheitern verurteilt ist.
Ob sie zum Scheitern verurteilt ist, wird sich wohl zeigen, auch wenn ich gestehen muss, dass ich sie ebenfalls ein wenig seltsam fand. Und die Prinzessin fiel auch nicht wirklich darauf rein und sagte es nie. Also ließ der König ausrufen, dass derjenige, der sie zu diesen Worten brachte, die Prinzessin zur Frau kriegen sollte
Puuuh, wieder einmal haben wir es mit dem Thema Zwangsehe zu tun. Nicht selten geht es in den märchenhaften Königshäusern wie auf dem Viehmarkt zu. Wer am meisten bietet, bekommt den Zuschlag. Entsetzlich. Aber diese Prinzessin hat sich von allein in diese Misere gebracht. Das muss man auch bedenken. Macht es nur nicht besser.
Da dachte ich kurz, es wird doch anders verlaufen und schon sind wir wieder bei der versprochenen Ehe. Bin ja gespannt, was da für Ideen rauskommen, um die Prinzessin dazu zu bringen, die Wahrheit zu sagen.
Naja, das ist wohl einfach der Zeit geschuldet. Liebeshochzeiten gab es nun mal kaum und die Männer werden es auch eher wegen dem Königreich als wegen der Prinzessin gewollt haben. Immerhin kamen viele Männer, aber es gelang keinem. Auch Stiefelchen, der Sohn eines Schusters, machte sich auf den Weg.
Oha, wie kann man seinem Sohn nur einen solch grässlichen Namen verpassen? Als Spitzname klingt “Stiefelchen” natürlich irgendwie putzig…
*grinst breit*
Der Name ist wirklich süß, aber vielleicht steckt hinter diesem niedlichen Namen ja ein Kerl, der was drauf hat und was im Köpfchen hat.
Na und ob Stiefelchen was im Kopf hat! Die Beiden überboten sich nämlich in ihren Lügen, ohne dass die Worte fielen, bis Stiefelchen behauptete, einen Apfelbaum am Tag davor gepflanzt zu haben, der immer weiter und weiter gewachsen war, während er ihn hinaufkletterte, sogar bis über die Wolken hinweg, wo ihn schließlich der Wind packte, ihn dreimal um die Erde wehte, bis er schließlich in einen Fuchsbau fiel. In diesem, so erzählte Stiefelchen, habe die Prinzessin gesessen und seine Schuhe geflickt.
Bei dieser Behauptung muss ich glatt an das Märchen mit Jack und der Bohnenranke denken, aber das war immerhin ein magisches Gewächs, das tatsächlich weit in den Himmel hineinragte und kein erdachter Apfelbaum. Was mich besonders freut: Auch im schwedischen Märchen wird die magische Zahl Drei verwendet!
Ja, da ist sie, die magische Zahl! Ich musste da auch direkt an Jack und seine Bohnenranke denken. Ist doch immer wieder lustig wie manche Märchen eine kleine Verbindung haben und sei es nur durch die Zahl 3. Viel spannender ist aber, dass er sich bei dem Sturz wohl nicht mal einen Kratzer zugezogen hatte.
Die 3 ist halt eine klassische Märchenzahl, so wie auch die 7 zum Beispiel - auch wenn die jetzt nicht vorkam. Aber dass Stiefelchen dreimal um die Erde geflogen war und sie in einem Fuchsbau beim Schuheflicken gesehen hatte, konnte die Prinzessin nicht auf sich sitzen lassen und sagte deshalb: “Das ist nicht wahr!” So bekam Stiefelchen dann die Prinzessin zur Braut und das halbe Königreich noch dazu. Die Prinzessin hatte daraufhin nicht mehr so viel Zeit zum Lügen erzählen, sodass Stiefelchen und sie sich nur noch einmal pro Woche Lügen ausdachten. Und das ist dann wohl den Rest ihres Lebens so gewesen.
Nun ja, Hobbys sollte man pflegen.
*grinst schief*
Aber dass das Lügen verbindet, wie dieses Paar, das habe ich bisher auch noch nicht gehört.
Ein wahrlich seltsames Hobby und ein sehr lustiges Märchen. Nun wären wir wieder bei: Ende gut, alles gut!
Der Vorhang fällt - ‘Tschüss Märchenwelt!’