Ich denke, dass jedem der Begriff „Die kleine Meerjungfrau“ etwas sagen müsste und man sich gut vorstellen kann, worum genau es sich hierbei eigentlich handelt. Eine junge, hübsche Meerjungfrau, die eines Tages auf ihren Prinzen der Träume stößt, sich unsterblich in ihn verliebt und einen hohen Preis opfert, um schlussendlich – je nach Erzählung – ihr Happy End oder eher...
Nicht so tolles Happy End zu finden.
So auch unsere sogenannte 'Meermaid', die sorglos zum Anfang der Geschichte mit Ihresgleichen am Strand tanzte und dabei, achtlos ihr Fell liegen lassend, mit den anderen vor Schreck – ausgelöst durch einen Fremden - eilig ins Wasser sprang.
Echt leichtsinning von unserer Meermaid so unvorsichtig zu sein. Wusstet ihr, dass es Meermaids auch bei uns gibt? Wir kennen sie als Wassermenschen. Ziemlich cool, oder?
Allerdings! Funfact: Selkies kennen die Muggel aus der Mythologie Schottlands, Islands, Irlands und von den Färöer-Inseln. Vor allem weibliche Exemplare sollen wunderschön sein, wie auch im heutigen Märchen.
Und wie schön sie gewesen sein soll! Aber leider auch genauso unachtsam… Natürlich hatte diese Achtlosigkeit auch sogleich verheerende Folgen. Und das leider nicht mit einem traumhaften Prinz Charming, sondern einem einfachen Mann, der sich allein durch den Anblick unserer hübschen Selkie augenblicklich verliebt und sich ihr Gewand zu eigen gemacht hatte.
Mich wundert, dass keine andere dieser Art der ‘Meermaid’ zu Hilfe gekommen ist. Ihre Artgenossen waren nicht loyal und haben die Geisel des Menschen einfach mal ihrem Schicksal überlassen. Das geht gar nicht! Selbst wenn das Mädchen leichtfertig mit seinem Robbengewand umgegangen ist.
Es gibt ja schon ziemlich fiese Menschen. Ich mein warum klaut man einem Selkie das Gewand? Will er damit etwa auch zu einem werden? Ich mein... Geht das überhaupt?
Ich glaube, dass man dafür magisch veranlagt sein müsste. Oder mit dem Fell kompatibel sein sollte. Darin liegt doch irgendwie auch ein Zauber.
Leute... Ist doch völlig egal! Er hat es ihr einfach geklaut! Da würd ich mich eher fragen: Darf der das? Und allein, was er dann damit noch vorhat!
Verständlicherweise war unsere Selkie nämlich äußerst aufgelöst über den Verlust ihres Schatzes und wie aus reinem Zufall war unser Retter in Nöten natürlich auch sofort an Ort und Stelle. Ha-ha.
Das klingt so nach einem Klischee! In den meisten Märchen ist doch ein Retter in Nöten immer in der Nähe.
Tja, nur hier ist die Maid in Nöten durch den vermeintlichen Retter überhaupt erst in Not geraten. Echt mies!
Oder?! Und anstatt ihr ihren Besitz zurückzugeben – trotz rührendem Bitten und Betteln – verheimlichte er ihr auch noch, dass er diesen überhaupt habe und redete ihr förmlich ein, dass ihre Familie und Freunde sie eh irgendwann vergessen würden. Und als wäre das nicht schon taktlos genug, hielt er dann auch noch um ihre Hand an. Da ihr jedoch kein anderer Ausweg zur Wahl stand, willigte sie schlussendlich ein mit ihm an Land zu leben.
Wow… Was für ein Charmeur! Wer hätte das nicht gerne? Eine schöne Zwangsehe, wie sie im Buche steht und noch dazu kommt ein Zeitsprung, in dem die beiden sogar Kinder haben – Mehrere!
Zwangsehe ist schön? Naja ich weiß ja nicht. Also, ich glaube, ich wäre mega unglücklich mit jemandem verheiratet zu sein, den ich nicht wirklich von ganzem Herzen liebe aber viel krasser finde ich den Zeitsprung. Das klingt doch so nach Magie!
Ein Zeitumkehrer kam hier sicher nicht zum Einsatz, das ist schließlich ein Muggelmärchen. Zumal es dann ja ein ’Zeitvorausspringer’ oder so sein müsste. Dieser Ablauf mit der schönen Frau, ihrem gestohlenen Fell und der Heirat eines Menschen scheint übrigens ein beliebtes Motiv zu sein, wenn es um Selkies geht.
Schön wär’s! Dann hätte sie mithilfe des Zeitumkehrers wenigstens zurück in die Vergangenheit reisen können, um den Verlust ihres Felles zu verhindern.
Aber zurück zu den Kindern! Denn in dem Märchen entsprachen diese nicht ganz so den Muggelkriterien, wie man es eigentlich kennt. Kleine Abnormalitäten in Form von dünner Haut zwischen den Fingern und einer Beugung der Hände, verrieten die eigentliche Herkunft der Kleinen und war dementsprechend nicht gerade unüblich. Und Merlin sei Dank, ein Glück gab es die kleinen Racker!
Denn so neugierig, wie die waren, haben die einige Jahre darauf auch sogleich das Fellgewand ihrer Mutter gefunden, welches hinter einem Haufen an Getreide versteckt wurde.
Wieviel Getreide hatten die bitte eingelagert, wenn das Fell dort jahrelang unbemerkt bleiben konnte?
Na ja… Wer weiß, wo genau der Getreidehaufen lag… Bestimmt irgendwo hinter dem Haus, sodass man nie auf die Idee gekommen wäre, dort nachzusehen, geschweige denn das Gewand dort vorzufinden.
Aber immerhin sind die Kleinen dann mit ihrer ergatterten Beute auch sogleich zu unserer Selkie getapst und hatten es ihr begeistert gezeigt. Ganz entzückt über diese Entdeckung, ergriff sie sehnsüchtig und doch begleitet von Trauer ihre einmalige Chance, verabschiedete sich schweren Herzens von ihren Kindern und eilte sofort zurück zum Strand, um sich ihren verloren geglaubten Schatz überzustreifen und schlussendlich in gewohnter Gestalt eines Seehundes ins Meer zu springen.
Mich würde ja interessieren, ob die Kinder nicht noch Fähigkeiten ihrer Mutter vererbt bekamen. Von den Schwimmhäuten einmal abgesehen, die aber darauf schließen lassen, das sie ganz passable Schwimmer sein müssten, oder etwa nicht? Sie hätten einander doch besuchen können, anstatt gleich einen Cut zu machen und sich als Familie zu trennen.
Hmmm… Das ist eine wirklich gute Frage. Vielleicht können die Kleinen ja aufgrund der mangelnden Erscheinung eines vollständigen Seehundes nicht lange im Wasser die Luft anhalten? Schließlich schienen sie trotz der Abnormalitäten mehr Muggel, als magisches Wesen zu sein.
Ach ja, apropos Muggel! Unser supertoller Hecht an Mann hat dem Ganzen natürlich mit gebrochenem Herzen zugesehen und als wäre das nicht schon genug, gab unsere toughe Meermaid ihm noch den letzten Rest! Sie machte ihm deutlich, dass die beiden sich nie wieder sehen werden, wünschte ihm Glück und beichtete, dass sie ihn zwar geliebt, aber ihren ersten Mann einfach stärker geliebt hatte.
Sie scheint zwischen zwei Welten hin- und hergerissen zu sein. Wobei sie sich recht schnell entschied, nachdem sie ihr Fell zurückerhalten hatte. Nicht nur den Mann ließ sie hinter sich, der sie zu einem Leben an Land gezwungen hatte, sondern auch ihre Kinder. Das ist traurig.
Uiuiui... Der Heartbreak war jedenfalls bestimmt richtig schmerzlich. Also in seiner Haut will ich jetzt nicht gerne stecken, aber selbst Schuld ist er ja irgendwie schon. Was lernen wir also daraus? Liebe sollte man nicht erzwingen – Das bringt nur Kummer mit sich!
Richtig. Wenigstens hat sich die Selkie nicht aufgrund unerwiderter Liebe in Meeresschaum aufgelöst, wie die kleine Meerjungfrau bei Hans Christian Andersen und konnte an ihr altes Leben anknüpfen. So gesehen war es für sie ein Happy End - mit einem bitteren Beigeschmack aufgrund der getrennten Familie.
Der Vorhang fällt - ‘Tschüss Märchenwelt!’