Einst lebte in einem Land ein Prinz, in den sich eine stolze Zauberin verliebte. Sie schenkte ihm eine purpurrote Blume, doch er lachte nur über sie. Aus Kummer und Zorn erstarrte das Herz der schönen Zauberin und sie verwandelte den Prinzen in ein hässliches Waldungeheuer.
Oha, die Dame hatte sich ja gar nicht unter Kontrolle. Von wahrer Liebe kann hierbei doch nicht die Rede sein. Sie würde sonst ihrem Angebeteten unter keinen Umständen Schaden zufügen wollen.
Vermutlich das typische Handeln von wegen ‘Wenn ich dich nicht haben darf, dann niemand!’.
*schaudert sich*
Frauen sind manchmal echt gruselig…
Eifersucht scheint in Märchen zumindest eher Frauen zugeschrieben zu werden. Bei König Sandelholz von letzter Woche war dies auch so.
Echt mal! Jetzt, wo du es erwähnst...
Stimmt. Meist werden Frauen als eifersüchtig dargestellt und dabei gibt es da auch genug Herren, die eifersüchtig sind. Viele Jahre später rüstete sich ein Kaufmann für eine weite Reise. Seinen Töchtern wollte er Geschenke mitbringen und fragte sie, was sie gerne haben möchten. Die älteste Tochter wünschte sich einen prächtigen Spiegel aus Kristall, Perlmutt und Silber, der ihr ewige Jugend und Schönheit schenkte.
Einen Moment! Wenn nur der Spiegel ihr Jugend und Schönheit vorgaukelt, denn so klingt es für mich, dann ist sie es doch nicht wirklich. Da hätte sie sich mal lieber eine effektiv straffende Gesichtscreme oder dergleichen gewünscht.
Au ja! Ich kann die von meiner Ma empfehlen! Die ist wirklich gut!
Wollen wir wissen, warum du weißt, dass diese Creme gut ist?
*schielt mit zusammengekniffenen Augen zu Dawson*
*grinst fies und räuspert sich*
Die mittlere Tochter wünschte sich eine goldene Kette mit Edelsteinen besetzt. Die jüngste Tochter wünschte sich die purpurrote Blume. So machte sich der Kaufmann auf den Weg.
Mir fällt auf, dass die Jüngeren in Märchen wirklich des Öfteren die Rolle der bescheideneren Geschwister einnehmen. So war es zum Beispiel auch im Märchen ‘Drei Haselnüsse für Aschenbrödel’, wo sich unser Aschenbrödel, anstelle der teuren Kleider und des funkelnden Schmucks, mit einem winzigen Zweig Haselnüsschen zufrieden gegeben hat. Und im Endeffekt waren sie viel mehr wert, als Stoff und Juwelen. Heute ist uns eher bekannt, dass die Jüngeren als verzogene und undankbare Rotzgören fungieren - ich denke, wir wissen alle, wovon ich spreche.
Ja tatsächlich haben wir schon einige Märchen gehabt, wo die jüngeren die Retter waren. Am Abend rastete er an einem Lagerfeuer, als ihm ein magisches Großväterchen erschien, das an das Feuer gebeten wurde. Es verschwindete sogleich wieder, überließ dem Kaufmann aber eine Kette aus Gold und mit Edelsteinen besetzt, wie es sich seine mittlere Tochter gewünscht hatte.
*setzt die Stirn in Denkfalten*
Wer ist dieses mysteriöse Großväterchen…? Etwa Rumpelstilzchen? Oder ein gieriger, kleiner Zwerg, der irgendwann etwas im Gegenzug verlangt…?
Rumpelstilzchen hat sich doch entzwei gerissen. Aber derlei Gestalten, hilfreich oder verschlagen, gibt es ja genug im Märchen.
Gute Frage, wer diese mysteriöse Gestalt ist. Der Kaufmann machte sich weiter auf die Suche nach dem purpurroten Blümchen, bis er eines Tages das Meer erreichte. Dort stieß er wieder auf den Alten, der gerade beim Angeln war und ihm einen Spiegel aus Kristall, Perlmutt und Silber schenkte, so wie ihn seine älteste Tochter begehrt hatte. Mit einem Ruderboot machte sich der Vater auf übers Wasser.
Irgendetwas plant doch der alte Greis! Ich trau dem nicht ganz…!
Wer weiß? Vielleicht ist er auch einfach nur nett. Am anderen Ufer angelangt, fand er ein verwunschenes Schloss vor und betrat es mutig. Innen verirrte er sich jedoch und traf auf die Herrin des Schlosses, die schöne Zauberin, welche ihm den Weg zur purpurroten Blume wies. Er fand die Blume im angrenzenden Wald, pflückte sie und begegnete dem Ungeheuer, das ihn wegen Diebstahls gefangen nehmen wollte.
Das Ungeheuer glaubt also, dass ihm der ganze Wald gehört?
Ach Drys...
*grinst ihn an*
Also da es sich bei dem Ungeheuer um den Prinzen handelt, denke ich, dass ihm somit auch das Land gehören könnte, auf welchem der Wald sich möglicherweise befindet! Oder aber-...
Das könnte tatsächlich stimmen. ‘Oder aber’ - was?
Oder aber, das Ungeheuer brauchte nur eine Ausrede, um jemand anschwärzen zu können, weil es gerne Leute ärgert!
*hebt eine Augenbraue und lauscht weiter*
Interessante Theorien, die ihr da habt. Er bat um Gnade und versprach wiederzukommen, falls er noch einmal Heim reisen durfte, um sich von seinen Töchtern verabschieden zu können. Die Bestie gewährte ihm drei Tage Zeit und gab ihm einen Zauberring mit, der ihm die Rückkehr erleichtern sollte. Danach müsste er seine Strafe annehmen.
Ganz schön leichtgläubig von diesem Ungetüm. Weshalb sollte der Kaufmann freiwillig zurückkehren, wenn er fliehen konnte? Also ich wäre ganz sicher nicht so töricht! Aber interessant finde ich diesen Zauberring. Das ist ein-
Ganz klar ein Portschlüssel!
*räuspert sich*
Ja, ein Portschlüssel. Obwohl er ein wenig anders funktioniert, als wir das kennen.
Den hat er bestimmt von der Zauberin gekla- geliehen! Nur vergessen, ihn wieder zurückzugeben...
Also Portschlüssel klingt schon gut. Möglicherweise ein Vorgänger, der uns bekannten Portschlüssel. Nun aber zurück im Text. Dort angelangt, verteilte der Kaufmann seine Geschenke an die Töchter und sie feierten ein Fest. Als dann allerdings herauskam, dass der Vater wieder gehen musste, sann die älteren Töchter darüber nach, das Ungeheuer zu täuschen, aber der Vater lehnte ab. Er hatte sein Kaufmannswort gegeben.
Ein Mann voller Ehre! Haltet das fest Leute!
Früher war das üblich, Wort zu halten, was heute ja nicht mehr so üblich ist. Die jüngste Tochter, traurig darüber, dass durch ihren Wunsch der Vater bestraft werden sollte, stahl ihm den Ring und wurde in den Wald des Ungeheuers teleportiert. Sie erschrak vor diesem und flüchtete, woraufhin sie dem alten Mann begegnete, der sie zu seiner Herrin ins Schloss führte, wo sie Unterschlupf bekam.
Bis zu dieser Stelle klingt das Märchen schon sehr nach dem ‘Singenden springenden Löweneckerchen’ oder dem französischen Pendant ‘Die Schöne und das Biest’. Ich bin sehr gespannt, welche Rolle die Zauberin noch einnehmen wird.
Stimmt! An ‘Die Schöne und das Biest’ musste ich schon von Anfang an denken! Es gibt wirklich sehr viele Parallelen zwischen den beiden Märchen...
Das klingt sehr stark danach! Im Laufe der Zeit freundete sich die jüngste Tochter mit dem verwunschenen Prinzen an und begann ihn zu lieben. Die kalte Zauberin war darüber erbost, so gönnte sie doch niemanden das Glück, da es ihr selbst verwehrt blieb, und sann daraufhin auf Rache.
Ha! Wie ich es anfangs prophezeit hatte!
*schaudert sich erneut*
Ja, da hattest du wohl Recht und vermutlich wird die Rache übel.
Sie schickte der jüngsten Tochter einen Traum, der in ihr die Sehnsucht nach dem Heim weckte. Aufgewacht, versprach diese dem Ungeheuer nur einen Tag fort zu bleiben und begab sich mit Hilfe des Rings zurück zu ihrem Vater.
Mir schwant Übles… Schwant…. Schwant? Das ist so ein komisches Wort…
*beäugt das ganz kritisch, ehe er sich wieder davon losreißt*
*zieht eine Augenbraue hoch*
Tschuldige, Dawson! Mach weiter!
Danke Mavi.
Ihre Schwestern hielten jedoch die Uhr an, sodass sie zu spät zur Bestie zurückkehrte. Im ganzen Wald suchte die jüngste Tochter daraufhin nach ihrem Geliebten, doch der war bereits verstorben und sie fand nur noch dessen Überreste.
Halt, halt, halt, halt… Wie bei Merlins Bart halten die beiden Zicken bitte die Uhr an? Sind die etwa auch magisch veranlagt? Und noch die viel wichtigere Frage ist… Warum tun die das?! Arbeiten die etwa mit der eifersüchtigen Zauberin zusammen?
Nun, indem man die Uhr daran hindert, dass die Zeiger sich weiterdrehen. Es gibt sehr verschiedene Modelle in der Muggelwelt. Viele werden mechanisch aufgezogen, aber das genauer zu erklären würde den Rahmen sprengen. Muggelapparaturen sind schon sehr faszinierend und manchmal wirklich fast wie Zauberei. Vielleicht wollten die beiden ihre jüngere Schwester schützen und verhindern, dass sie zurückkehrt?
Also hatte unser Ungeheuer wohl einfach nicht mehr lange zu leben…?
*singt ‘Wer hat an der Uhr gedreht’ und lacht*
*nimmt das heimlich auf*
Die Zauberin hatte also gesiegt, konnte sich aber nicht so recht darüber freuen. Sie grübelte darüber nach, worin sich ihre Liebe von der jüngsten Tochter so sehr unterschied. Dabei war es so einfach zu verstehen –
„Wo man liebte, musste man mehr schenken als eine Blume, nämlich sein Herz“.
Endlich hat diese Zauberin es eingesehen! Und mit ihrem Herzen war sie ja auch vor dessen Erkaltung wohl nicht so recht dabei. Liebe kann man nun einmal nicht erzwingen. Nicht, wenn man sich in Vorstellungen verrennt, ohne diese Gefühle wirklich zu empfinden. Da hilft auch keine Tasse heiße Schokolade…
*verliert sich kurz in Erinnerungen*
… oder eine Blume! Aber was geschieht nun mit dem Untier? Das bleibt doch hoffentlich nicht tot?
*schnieft gerührt*
Was… Weinst du etwa?
Deine Worte… Die waren wirklich zu schön gesagt, Drys… So viele Gefühle, das war einfach zu ergreif-
Übertreib mal nicht so.
*wirft ihm Taschentücher in den Schoß*
*schnäuzelt*
*schüttelt den Kopf*
Habt ihr es dann? Durch ihre starke Liebe konnte der Prinz schließlich wieder zum Leben erweckt werden und eine Hochzeit wurde in die Wege geleitet.
Hm… da waren doch nur noch Überreste vorhanden, oder nicht? Da musste ja noch etwas mehr passiert sein, als nur ein Kuss der wahren Liebe. Eine magische medizinische Regeneration. Sowas wie Skelewachs, nur mit Gewebe.
*schnippt erkennend*
Hundertpro ein Wiederbelebungszauber!
Eindeutig ein Trank! Die betrübte Zauberin begab sich unterdessen auf eine Reise durch die Welt, um den Glauben an die Liebe und das Glück wiederzufinden.
Irgendwie ist das ein versöhnliches Ende. Die Enttäuschte, die sich rächte, durchlebt einen Wandel und geht stattdessen auf ihre eigene Reise zu sich selbst. In einem Grimm-Märchen wäre sie wohl hart bestraft worden für ihre Taten.
An dieser Stelle frage ich mich auch, ob das Märchen sich nicht eher auf die Entwicklung der Zauberin, als auf die Liebe der Jüngsten und des Ungeheuers bezogen hat… In dem Märchen waren so viele Moralen auf einmal versteckt und an die Oberfläche gezogen worden - fand ich ultra nice!
Auf jeden Fall war es vertraut und doch mal etwas anderes. Ende gut, alles gut.
Du sagst es!
Der Vorhang fällt - ‘Tschüss Märchenwelt!’