Herzlich willkommen auf der Märchencouch, Ceana Eaton, aus dem Hause Ravenclaw. Mach es dir bequem.
Ein herzliches Willkommen auch von mir, Ceana!
Vielen Dank euch beiden! Heute habe ich ein Märchen für uns Dichter und Denker rausgesucht, also wird es euch bestimmt zusagen… oder vielleicht auch nicht. Fangen wir an! Ein junger Mann wollte unbedingt Dichter werden und bis Ostern wollte er heiraten und von seiner Dichtkunst leben können.
Ein schöner Traum, doch wohl kaum in die Tat umzusetzen. Erst recht nicht zur damaligen Zeit, als überwiegend der Mann in der Familie das Geld nach Hause brachte, von dem sie alle leben mussten.
Große Ziele hat der junge Mann. Hoffen wir, dass ihm all das auch gelingen mag. Ich weiß nur nicht wie er in so kurzer Zeit das alles erreichen will.
Das ist eine gute Frage, denn um Dichter zu sein, muss man erfinden können und genau dies konnte er nicht. Alles was es gab und man nicht erfinden musste, wurde schon niedergeschrieben und in Gedichte gepackt. So beneidete er die Menschen vor hundert Jahren, welche noch über die Welt dichten konnten und wusste nicht was er selbst hineindichten sollte.
Dieser Mann handelt wirklich nicht wohl durchdacht. Um zu dichten, benötigt man schon ein wenig Kreativität, aber das ist doch machbar. Sein Talent liegt offenbar eher in einer anderen Richtung. Er möchte sich dies nur nicht eingestehen, so scheint mir.
Und da ist ja schon der Haken an der Sache. Es ist nie leicht, sich Dinge auszudenken, die es noch nicht gab. Ich mein, vor uns haben schon so viele Menschen gelebt, die schon viel erlebt haben und das in Gedichten niedergeschrieben haben.
Das stimmt, doch der Mann scheint das nicht wahrhaben zu wollen, denn dieser Gedanke machte ihn krank und kein Doktor konnte ihm helfen, doch vielleicht würde die kluge Frau die Antwort auf sein Problem wissen.
Oh, wer das wohl sein mag?
Wie soll ihm denn ein Doktor dabei helfen können etwas zu finden, dass noch niemand niedergeschrieben hat… warte, eine kluge Frau soll mehr können als alle, die er bisher um Hilfe gebeten hatte? Scheint mir eine besondere Frau zu sein.
Zumindest besonderer als die Doktoren, auch wenn ihre Unterkunft das nicht zeigte. Sie wohnte in einem kleinen Haus am Feldgatter, wo sie Wagen und Reiter Durchgang gewährte. Vor ihrer kleinen und eintönigen Hütte lag ein Kartoffelacker und ein Graben mit Schlehdorn. Vor der Tür stand ein Bienenkorb.
Bei der klugen Frau angelangt, klagte der Mann erneut, dass alles schon niedergeschrieben sei und es nichts mehr zu dichten gebe, dass nichts mehr so ist, wie in der alten Zeit. Die Frau erwiderte, dass die jetzige Zeit die allerbeste wäre, das kluge Frauen nicht verbannt und Poeten nicht hungern müssten.
Die kluge Frau ist wohl eine Hexe? Menschen, die der Vergangenheit nachhängen und nicht vorwärts schreiten, kenne ich leider auch.
Wer kennt solche Leute nicht... für mich klingt die Frau im ersten Moment nach einer echt bodenständigen Frau, die gut für sich selbst sorgen kann und weiß, was zu tun ist.
Wer weiß, in Märchen ist ja bekanntlich alles möglich! Sie war bodenständig genug um dem Mann helfen zu wollen, doch der Jüngling betete weder jeden Abend das Vaterunser, noch hatte er das nötige Gehör oder den nötigen Blick um das Potential für Erzählungen und Gedichte zu finden.
Oh, da fällt mir ein, dass diese weise Frau nach Muggelglauben gar keine Hexe sein kann! Im Mittelalter wurde aus der Rinde von Schlehdorn nicht nur Tinte hergestellt, dieses Gewächs sollte Hexen fernhalten. Deshalb pflanzte man ihn rund um Weiden, damit das Vieh sicher ist und auch Höfe sollte er schützen. Schlehenblätter dienten sogar als Tabakersatz und aus der Rinde gewann man eine rötliche Farbe, die Käse haltbarer werden ließ. Aus den Früchten macht man unter anderem sogar Marmelade und zur Heilung wird Schlehdorn ebenfalls eingesetzt. Eine sehr vielseitige Pflanze haben wir hier.
*schüttelt über den Möchtegern-Dichter den Kopf*
Er sollte es wirklich einfach lassen und sich dem widmen, was er gut kann. Dieser Wunsch macht ihn nur unzufrieden und bringt ihn nicht weiter.
Der junge Mann wartet also, dass ihm die Worte, die er niederschreiben will, praktisch in den Mund gelegt werden? Also das ist für mich kein Talent, die Gedichte anderer zu klauen.
Deswegen ist er ja bei der weisen Frau und um zu zeigen, was die Welt zum schreiben verbirgt, überreichte die Frau ihm ihr Hörohr und ihre Brille und trug ihm auf zu Gott zu beten, ohne dabei an sich selbst zu denken. Der Mann fand, dass die Frau ihm das Unmögliche aufgab, doch er stellte sich auf den Kartoffelacker, mit einer Knolle in der Hand. Er lauschte und hörte ein Lied über die Geschichte der Kartoffeln.
*prustet los*
Bitte was? Eine Geschichte über Kartoffeln stelle ich mir nicht allzu spannend vor, um ehrlich zu sein. Es scheinen sich hier aber Elemente aus dem Heidentum, sprich dem Glauben der Muggel an Magie, so wie sie diese definieren, und dem Christentum zu vermischen. Die kluge Frau leiht ihm ihre magischen Gegenstände und rät ihm gleichzeitig, zu ihrem Gott zu beten.
Ich glaube, so schlecht ist eine Geschichte über Kartoffeln nicht, sofern man die spannend umsetzt. Dazu muss man das aber können. So magisch klingen die Gegenstände im ersten Moment gar nicht. Vielleicht nur eine Art ihm zu zeigen, dass die besten Geschichten direkt vor seiner Nase passieren.
Diese tolle Geschichte handelt darüber, wie die Kartoffeln Europa erreichten, niemand ihren Wert und mit ihnen umzugehen verstand und wie sie nun, wo man es weiß, geehrt werden.
Danach gingen Frau und Mann weiter zum Schlehdorn und hörten die Erzählung der Entdeckung der Weinbeeren und wie man das Land, auf welchem sie wuchsen, den Namen Weinland gab. Der Mann war entzückt von der romantischen Geschichte.
Als nächstes blickte er in den Bienenkorb und beobachtete das rege Treiben. Wie die Bienen mit den Flügeln schlugen um den Korb zu durchlüften, neue mit Blütenstaub zurückkehrten und er in Wachs und Honig verarbeitet wurde. Die Bienenkönigin wollte auch ausfliegen, doch da die anderen Bienen ihr folgen würden, riss man ihr die Flügel aus, um ihr Entkommen zu verhindern.
Oha, das klingt nicht sehr schön. Ist das denn üblich?
Das arme Bienchen, das nur fleißig sein wollte. Normalerweise werden Bienenköniginnen nur markiert, aber in Ruhe gelassen. Soweit ich das von meinen Eltern weiß, fliegen die tatsächlich nur für den Hochzeitsflug davon. Das ist der Paarungsflug, der nur einmal im Leben einer Königin passiert. Dabei können sie sterben, aber ansonsten sind die Königinnen immer im Stock und sorgen für Nachwuchs.
*zuckt mit den Schultern*
Zuletzt sollte der Mann über den Grabenrand schauen, auf die Landstraße mit vielen Reisenden. Von dem Treiben und den lauernden Geschichten wurde es dem Herrn schwindelig, doch die Weise drängte ihn weiter geradeaus. Zwischen all den Menschen gab es viel was man dichten konnte, doch der Mann sollte dies mit seinem eigenen Gehör, Blick und Herz erfinden. So nahm die Frau ihr Hörohr und ihre Brille wieder entgegen.
Der Mann hörte und sah nichts mehr von dem Gewimmel um sich herum und die kluge Frau sagte zu ihm, dass er dann zu Ostern wohl kein Dichter sein könne, da er nicht lerne etwas zu erfinden. Dies stimmte den Mann traurig und er fragte die kluge Frau, was er dann tun solle um sein Brot mit Poesie zu verdienen.
Dieser Mann hängt ja wirklich verbissen an diesem Dichter-Gedanken! Ich frage mich, ob er einfach sehr willensstark oder nur unklug handelt.
Der Mann muss schon ziemlich untalentiert sein, wenn er das Offensichtliche weder sehen, noch hören kann.
Das hat die kluge Frau auch erkannt und übermittelt dem Jüngling ihre Lösung. Sie antwortete ihm, dass er sogar vor Ostern sein Geld verdienen könne. Schon zu Fastnacht würde er sich und seine Frau durchfüttern, wenn er die Schriften der Poeten, welche er niemals übertreffen könnte, schlagen würde. Sie nieder macht, Witze reißt, ins Lächerliche zieht und auf ihre Kosten Anerkennung und Ruhm erlangt. Und so folgte der junge Mann der Anweisung der klugen Frau und zog über jeden zweiten Dichter her, weil er selbst keiner sein konnte.
*verzieht sein Gesicht*
Puuuh, also dieses Ende schmerzt in meiner Dichterseele. Es gehört sich in meinen Augen nicht, über die Werke anderer dermaßen herzuziehen und sich dadurch zu bereichern, nur weil man selbst vor Neid zerfressen ist oder kein eigenes Gedicht zustande bringt. Dieser Mann ist mir zutiefst unsympathisch.
Und trotzdem heißt es wieder einmal: Ende gut, alles gut.
Der Vorhang fällt - ‘Tschüss Märchenwelt!’